Die Sommermonate gelten an der Börse traditionell als ruhig. Doch 2025 ist alles anders. Während viele Investoren an den Seitenlinien stehen und schwankende Tech-Werte nervös beäugen, schieben sich zwei vermeintliche Schwergewichte der alten Industrie mit bemerkenswerter Dynamik nach vorn: Heidelberg Materials und Hochtief. Zwei Unternehmen, zwei Strategien – doch beide stehen beispielhaft für einen Trend, der inmitten von KI-Hype, Energiewende und geopolitischen Spannungen kaum auffälliger sein könnte: Realwirtschaft is back.
Heidelberg Materials: Fundamentale Stärke in fragilen Zeiten
Wenn es derzeit eine Aktie im DAX gibt, die wie ein Bollwerk gegen Unsicherheit wirkt, dann ist es Heidelberg Materials. Der Zement- und Baustoffriese aus Baden-Württemberg steht in diesem Jahr für solide Zahlen, operatives Geschick – und einen bemerkenswerten Kurslauf:
Mit einem Kursplus von rund 70 % seit Jahresanfang ist Heidelberg Materials längst kein Geheimtipp mehr. Dennoch ist die Aktie bei vielen Anlegern noch untergewichtet – dabei liefert der Konzern aktuell genau das, was in einem volatilen Umfeld zählt: operative Stärke, Preissetzungsmacht, globale Präsenz.
Im zweiten Quartal 2025 konnte der Baustoff-Gigant seinen Umsatz um 3,2 % auf 5,7 Milliarden Euro steigern, während das bereinigte EBIT um fast 8 % auf über 1 Mrd. Euro zulegte. Treiber waren nicht nur Preisanpassungen, sondern vor allem ein striktes Kostenmanagement, das CEO Dominik von Achten konsequent durchzieht. Besonders stark war das Wachstum in den Regionen Afrika-Mittelmeerraum-Westasien – ein oft unterschätzter Markt, der nun volle Wirkung entfaltet.
Der neue alte Champion des Rohbaus
Ein weiteres Glanzstück: Der Zukauf der kanadischen Burnco Rock Products Ltd. – ein vertikal integrierter Anbieter mit Zuschlagstoffwerken, Asphalt- und Betonanlagen. Damit stärkt Heidelberg Materials seine Präsenz in Nordamerika – und sichert sich Marktanteile in einer Region, in der die Energiewende, KI-Infrastruktur und staatlich geförderte Großprojekte die Nachfrage nach Baustoffen in neue Höhen treiben.Zudem profitiert Heidelberg Materials von einem weltweiten Infrastruktur-Boom, der durch ESG-Fördergelder, Nach-Corona-Programme und eine politisch gewollte Bau-Offensive – nicht zuletzt in Deutschland – getragen wird. Das angekündigte 500-Milliarden-Infrastrukturpaket der Bundesregierung wirkt wie ein Konjunkturbooster für alles, was baggert, mischt und zementiert.
Auch wenn JP Morgan das Kursziel leicht auf 217 Euro reduzierte, bleibt die Einstufung auf „Overweight“ – Heidelberg Materials sei operativ stark genug, um Volatilität auszugleichen. Berenberg hingegen sieht sogar mehr Spielraum und hebt das Ziel auf 220 Euro an. Begründung: Preismacht, Cashflow und Zukäufe liefern eine operative Schlagkraft, die in der Branche derzeit einzigartig sei.
Hochtief: Der Datenbaumeister im Industriegewand
Wer beim Namen Hochtief an klassische Großbaustellen denkt, liegt nur zur Hälfte richtig. Denn hinter den dicken Mauern des Essener Konzerns läuft längst ein zweiter, hochdynamischer Motor: der Aufbau einer digitalen Infrastruktur für die KI-Wirtschaft von morgen.
🔌 Vom Beton zur Cloud – Die neue Strategie
Hochtief ist längst nicht mehr nur Generalunternehmer für Flughäfen oder Autobahnen. Über seine Tochtergesellschaft Turner Construction in den USA gehört das Unternehmen zu den aktivsten Rechenzentrumsbauern weltweit – zuletzt beauftragt für den Bau eines 6-Milliarden-Dollar-AI-Data-Centers in Lancaster (Pennsylvania), finanziert von CoreWeave, einem der heißesten Namen im Hyperscaler-Geschäft.
Systemarchitekten der Digitalisierung
Und der Konzern baut nicht nur für andere. Gemeinsam mit Palladio Infrastructure und dem deutschen Server-Hersteller Thomas-Krenn.AG rollt Hochtief derzeit das Projekt Yexio aus – ein Netzwerk modularer, hochleistungsfähiger Edge-Rechenzentren in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Das Ziel: Regionale Datensouveränität, energieeffiziente KI-Leistung und wirtschaftliche Resilienz für mittelständische Unternehmen.
Diese Edge-Cluster bieten 2–4 MW pro Standort, sind skalierbar und nachhaltig konzipiert – mit Holzmodulen, Photovoltaik und Liquid Cooling. Sie sind für Kommunen, Städte und Industriezentren das, was früher Umspannwerke waren: Knotenpunkte für die neue Ökonomie.
Im zweiten Quartal 2025 steigerte Hochtief seinen Umsatz um fast 19 % auf 9,45 Milliarden Euro. Der operative Gewinn kletterte um 18,8 % auf 188 Millionen Euro. Noch eindrucksvoller ist der Auftragseingang: 13,15 Milliarden Euro, was einem Zuwachs von über 22 % entspricht. Damit steigt der Auftragsbestand auf ein neues Rekordhoch von 69 Milliarden Euro.
Die Prognose für das Gesamtjahr 2025 bleibt mit 680 bis 730 Mio. Euro Gewinn nach Steuern konservativ – und genau das ist das Spannende: Hochtief hat massives Überraschungspotenzial, sollte die Digitalisierung der physischen Infrastruktur (Stichwort: KI-Backbone) schneller Fahrt aufnehmen als bislang gedacht.
Jefferies bleibt mit „Hold“ zunächst abwartend, betont aber, dass die Bewertung bei stabiler Auftragspipeline zunehmend attraktiv wirkt.
Projekte mit politischem Rückenwind
Zusätzlich zu den digitalen Ambitionen profitiert Hochtief auch klassisch von staatlichen Großaufträgen:
Großauftrag für die Generalsanierung der Rheinstrecke (Bahn)
Neubau eines Forschungszentrums für die Uni Duisburg-Essen
Umbau denkmalgeschützter Immobilien in NRW
Einstieg in den britischen Rechenzentrumsmarkt durch eigene Tochtergesellschaft
Mit einem solchen Portfolio ist Hochtief nicht nur zyklisch attraktiv, sondern zunehmend auch systemrelevant – insbesondere im Zusammenhang mit EU-Förderprogrammen und der geopolitisch motivierten digitalen Autonomie Europas.
Bewertung: Noch fair – aber nicht mehr lange
Heidelberg Materials notiert bei rund 204 Euro (Stand 2. August 2025), mit Potenzial bis 230 €.
Hochtief liegt aktuell bei 158 Euro – und könnte bei positiven News in Richtung 170–175 € laufen.
Beide Aktien haben ihre Hausaufgaben gemacht. Beide stehen für Werte, die wieder gefragt sind: Planbarkeit, Dividende, operative Stärke. Und beide sind in Megatrends wie Klimawandel, Urbanisierung und Digitalisierung verankert – nicht als Zuschauer, sondern als aktive Gestalter.
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